Die Frage, ob der Kunstunterricht wichtig ist oder warum es ihn überhaupt gibt, habe ich im Laufe meiner bisherigen beruflichen Karriere schon oft gehört. Wahrscheinlich kennt jede Kunstlehrerin und jeder Kunstlehrer das Problem.
Mit kaum einem anderen Fach können die Kinder oft so wenig anfangen, wie mit dem Fach Kunst. Mich persönlich treffen Fragen, nach der Notwendigkeit meines Lieblingsfaches allerdings immer zutiefst. Sofort kommen dann in mir Fragen auf, ob mein Kunstunterricht nicht gut genug ist oder was ich ändern sollte. Wichtig zu erwähnen ist noch: Ich unterrichte an einer österreichischen Mittelschule, 10-14-Jährige. Dementsprechend bewegt sich mein Kunstunterricht auf einem recht niedrigen Leistungsniveau, der Schwerpunkt liegt auf dem Zeichnen, Malen und Basteln von einfachen Kunstprojekten.
Der aktuelle Stellenwert des Faches Kunst
In einem Online-Artikel der österreichischen Tageszeitung “Die Presse” aus dem Jahr 2007 wurde die Frage nach dem Stellenwert des Kunstunterichtes mit einem Zitat von Michael Wimmer, dem Leiter des Educult-Instituts für Vermittlung von Kunst und Wissenschaft gut auf den Punkt gebracht: “Noch nie wurden Kunst und Kultur so wenig als zentraler Punkt der Schulausbildung gesehen wie heute.“
Leider hat sich auch 14 (!!!) Jahre nach Erscheinen dieses Artikels nicht viel geändert. Sobald irgendwo Stunden gekürzt werden müssen, muss der Kunstunterricht (meistens) zuerst dran glauben. Die Gründe, warum der Kunstunterricht auch in der Politik so wenig Wertschätzung erfährt sind vielfältig. Die Kunstlehrer*innenschaft hat beispielsweise eine sehr viel kleiner Lobby als beispielsweise die Sportlehrer*innen. Außerdem hatte es der Kunstunterricht grundsätzlich immer schon schwer, sich gegen die naturwissenschaftlichen Fächer, wie z.B. Biologie durchzusetzen, weil Kunst halt eben auch keine klassisches Lernfach ist, in dem regelmäßig reines Faktenwissen abgeprüft wird.
Der schwerwiegenste Grund ist allerdings ein anderer: In kaum einem anderen Fach in der Unterstufte gibt es dermaßen viele ungeprüfte Lehrer*innen, wie im Fach Kunst! Das sorgt in der Regel dafür, dass der Kunstunterricht massiv an Qualität einbüßt und dementsprechend auch zum Randfach verkommt. Denn, wenn selbst der Lehrer bzw. die Lehrerin das Fach Kunst nicht ernst nimmt, wird es natürlich von den Schülerinnen und Schülern schon gar nicht ernst genommen!
Warum Kunstunterricht so wertvoll ist
In der Unterstufe spielen vor allem die Hauptfächer, Deutsch, Mathematik und Englisch die Hauptrollen im Unterrichtsalltag. Dass diese Fächer sehr wichtig sind, steht natürlich außer Frage und deshalb stehen sie auch unangefochten an der Spitze der Fächer-Hierarchie. Danach kommen dann meistens die naturwissenschaftlichen Fächer wie Biologie, Physik, Chemie und Geografie und Sport.
Die untersten Ränge teilen sich dann die “Underdogs” wie Musik, Technisches und Textiles Werken sowie der Kunstunterricht. Also vor allem die Fächer, in denen im Normalfall weniger Leistungsdruck herrscht und es auch nicht üblich ist, dass die Kinder dort regelmäßig abgeprüft werden.
Die Geringschätzung dieser Fächer, und vor allem des Kunstunterrichts, ist allerdings ein großer Fehler! Zunächst einmal fördert der Kunstunterricht die motorischen Fähigkeiten und die körperliche Koordination. Darüber hinaus ermöglicht künstlerische Betätigung einen anderen Zugang zu kognitiver Arbeit. Kinder treffen beim Malen und Basteln eigene Entscheidungen: Sie gestalten einen Plan und finden kreative Lösungswege. All das sind Eigenschaften, die im späteren Leben hilfreich sind. Egal, ob im Beruf oder Privatleben.
Ein weiterer Vorteil: Kunstunterricht sorgt für Spaß und Entspannung und schafft so einen positiven Bezug zur Schule. Und Schüler, die gerne in die Schule gehen, lernen auch besser. Auch das Wissen um die bekanntesten Kunstströmungen und das Kennenlernen berühmter Künstler*innenpersönlichkeiten ist wichtig, um den eigenen Horiziont zu erweitern und den Aufbau eines fundierten Allgemeinwissens zu fördern.
Malen und Basteln sind mehr als nur ein bloßer Zeitvertreib
Bereits in der Grundschule machen die Kinder erste Erfahrungen mit Farben und Pinseln. Das gängigste Medium dafür ist im Regelfall der Deckfarbkasten, später vielleicht auch Acryl- und Gouache-Farben. Beim Malprozess geht aber um so viel mehr, als um die reine Tätigkeit an sich. Malen verlangt den Kindern einiges ab: Zuerst einmal muss der Pinsel richtig gehalten werden! Dann muss die richtige Farbaufnahme erfolgen und zuletzt muss die Farbe natürlich auch in der gewünschten Art und Weise zu Papier gebracht werden. All das erfordert Übung und schult sowohl die Fingerfertigkeit, als auch das Durchhaltevermögen und die Geduld der Kinder.
Ähnlich verhält es sich mit dem Basteln. Der Umgang mit einer Schere muss ebenso regelmäßig geübt werden, wie das richtige Kleben, vorzeichnen und falten von Papier. Beim Basteln lernen Kinder die Entwicklung und die Umsetzung kreativer Ideen und das Vorstellungsvermögen wird dabei ebenfalls geschult. Durch die intensive Beschäftigung mit einer Bastelarbeit werden sowohl die Ausdauer, als auch die Konzentration verbessert.
Der allerwichtigste Aspekt ist aber die Stärkung des Selbstvertrauens der Kinder. Nach vollbrachter Arbeit etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, ist Balsam für die Seelen der Kinder und ein unglaublicher Motivations-Boost für das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten! Die strahlenden Augen der Kinder, wenn sie selbst ein Bild oder eine Bastelarbeit hergestellt haben, ist Grund genug für mich, weiterhin für die Wichtigkeit und Notwendigkeits des Kunstunterrichts zu plädieren.
Zuletzt noch eine kleine Geschichte aus meinem Kunstunterricht in einer Polytechischen Klasse (14-15 Jährige):
Jedes Jahr bastle ich zum Muttertag tolle Pop-Up-Karten für die Mütter der Kinder. Nachdem die Karten fertiggestellt sind, dürfen sie selbstverständlich mit nachhause genommen und verschenkt werden.
In der darauffolgenden Stunde frage ich dann immer die Jugendlichen, was ihre Mütter zu den selbstgemachten Karten rückgemeldet haben. Die Aussage einer Schülerin blieb mir dabei bis heute in bester Erinnerung. Sie meinte: “Ich habe meiner Mutter die Karte und extra noch ein teures Parfüm geschenkt, aber über die Karte hat sie sich viel mehr gefreut!“
Im diesem Sinne: ein Hoch auf den Kunstunterricht!
Wie kommt man zum Material?
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Lies HIER, wie man das iPad im Kunstunterricht sinnvoll einsetzen kann!
Hallo,
und danke fรผr diesen Beitrag! Er spricht mir aus der Seele, denn leider habe ich รคhnliche Erfahrungen gemacht. Die Unterschรคtzung des Faches wurde uns bereits in meinem Studium angedeutet, 2009 habe ich meinen Abschluss gemacht, seitdem hat sich nicht viel zum besseren gewendet. Wir werden immer noch unterschรคtzt in unserer Arbeit, jedoch weniger von den Schรผler:innen, die durch den Unterricht von mir natรผrlich die weitreichende Bedeutung immer wieder vermittelt bekommen. Wahrscheinlich brauchen wir einen langen Atem und Zeit, die Frรผchte unserer Arbeit zu bemerken, und natรผrlich Menschen, die immer wieder darauf hinweisen.
Deinen Text mรถchte ich noch um einen Aspekt ergรคnzen, der in der digitalen Welt immer bedeutsamer wird: Kunstunterricht als die Vermittlung der Wissenschaft vom Bild. Das wird mehr und mehr unsere Stรคrke sein, zu vermitteln, wir Bilder (digital oder analog) funktionieren, wie Intentionen verdeutlicht werden und Empfindungen gelenkt werden kรถnnen, nicht zuletzt diese Mechanismen kritisch zu hinterfragen. Es liegt an uns, diese Chance auch wahrzunehmen und Altes mit Neuem zu verknรผpfenโฆ
Viele Grรผรe aus Deutschland ๐๐ผ