Wer sich intensiver mit den Möglichkeiten des digitalen Unterrichts beschäftigt, kommt früher oder später an den Punkt, sich mit den dazugehörigen Unterrichtsmodellen auseinanderzusetzen. Eines der bekanntesten in diesem Bereich ist das SAMR-Modell nach Puentedura.
Warum sind theoretische Modelle beim digitalen Unterricht hilfreich?
Der digitale Unterricht stellt für alle Pädagog*innen eine große Herausforderung dar. Die Bildungsoffensive in Österreich und Deutschland hat dazu geführt, dass landesweit alle Klassen der Sekundarstufe 1 mit digitalen Endgeräten ausgestattet wurden.
Ein wichtiger und richtiger Schritt doch wie die Pädagog*innen nun mit den neuen technischen Möglichkeiten einen sinnvollen Unterricht gestalten sollen, wurde seitens der Bundesregierungen in die Eigenverantwortung der Schulen abgeschoben.
Genau hier kommt nun, unter anderem, das SAMR-Modell von Puentedura ins Spiel. Es gibt Schulen ein Werkzeug für die Integration digitaler Medien in den Unterricht an die Hand. Anhand des Modells können Lehrkräfte ihre eigenen Bildungsangebote analysieren und reflektieren. Schritt für Schritt kann so der eigene digitale Unterricht ausgebaut und erweitert werden.
Was ist das SAMR-Modell?
Das SAMR-Modell wurde von Ruben Puentedura erstellt, dem Gründer und Leiter des US-amerikanischen Beratungsunternehmens Hippasus. Das Modell dient der Analyse der technischen Integration von digitalen Medien im Schulunterricht. Puentedura unterscheidet im Modell vier Ebenen, die aber nicht aufeinander aufbauen. Die Bedeutung der digitalen Medien für das Lernen steigt mit jeder Stufe.
Schulen können das SAMR-Modell als eine Art Anleitung oder als „Werkzeug“ nutzen, um bedeutsame Lernerfahrungen mit digitalen Medien zu ermöglichen. Es lädt Lehrer*innen dazu ein, die Art und Weise zu reflektieren, wie sie digitale Medien in ihren Unterricht integrieren:
- als direkter Ersatz für Arbeitsmittel ohne funktionale Änderung,
- als Erweiterung,
- Veränderung oder
- Erneuerung durch das Gestalten neuartiger Aufgaben, die vorher unvorstellbar waren.
Wie funktioniert das SAMR-Modell und was heißt das konkret für den Unterricht?
Das Modell ist grundsätzlich von links nach rechts zu betrachten. Es beschreibt im Wesentlichen die vier unterschiedlichen Nutzungsarten von digitalen Medien. An österreichischen Mittelschule sind das hauptsächlich Laptops bzw. iPads.
Auf den ersten Blick wirkt es so, als handle es sich hier um eine Art Hierarchie. Das ist aber nicht der Fall. Die vier Stufen ergänzen sich und jede Stufe des Modells stellt eine gleichberechtigte Möglichkeit dar, um den Unterricht zu bereichern. Keine Stufe ist besser oder schlechter, als die vorherige. Jede Stufe hat seine Berechtigung und kann, je nach Unterrichtssituation, einen Mehrwert für den Unterricht bedeuten.
Die ersten zwei Stufen stellen bereits eine Verbesserung des Unterrichts dar. In den letzten beiden Stufen wird der Unterricht komplett neu gestaltet und die Schüler*innen müssen selbst aktiv werden und sich unter anderem auch die Unterrichtsinhalte selbst erarbeiten bzw. sogar produzieren.
Jede Stufe stellt auch eine Erweiterung der Medienkompetenz bei der Lehrperson, genauso wie bei den Schüler*innen bewirkt bzw. auch bereits voraussetzt. So wird eine Neubelegung des Unterrichts beispielsweise nur dann gelingen können, wenn sich sowohl die Lehrkräfte, als auch die Kinder bzw. Jugendlichen auf die Möglichkeiten, die ein Tablet bietet einlassen und auch motiviert sind sie anzuwenden.
Wichtig zu wissen ist auch noch, dass es bei dem Modell gar nicht um bestimmte Apps geht, die den einzelnen Stufen zugeordnet werden, sondern darum, wie diese im Rahmen des Unterrichts genutzt werden. Man könnte das Modell als einen Weg in Richtung “Neubelegung” sehen.
Die einzelnen Stufen des SAMR-Modells erklärt:
Substitution (Ersetzen):
Auf der ersten Stufe, der Substitution, ersetzen digitale Medien einfach die klassischen, analogen. Es kommt hier (noch) nicht zu einer funktionalen Änderung.
Ein Beispiel dafür ist, wenn die Schüler*innen einen Text auf dem Computer oder iPad anstatt in ein Heft schreiben oder die Lehrperson spiegelt den Inhalt ihres iPads über ein Apple-TV, anstatt die Tafel zu benutzen. Oder man schreibt direkt in eine PDF-Datei, anstatt auf ein Arbeitsblatt zu schreiben. Ein weiteres Beispiel wäre, das Lesen eines E-Books auf dem iPad.
Auf dieser Ebene kann der Umgang mit digitalen Medien sehr gut geübt und trainiert werden. Die digitalen Erzeugnisse können in der Cloud gespeichert und dadurch auch leicht wiedergefunden und weiterbearbeitet werden.
Augmentation (Erweitern):
Auf der zweiten Stufe, der Augmentation, kommt es bereits zu einer funktionalen Verbesserung. Es ergeben sich bereits Verbesserungen bei den Arbeitsabläufen, im Vergleich zu den traditionellen Medien.
Auf dieser Ebene bringt z.B. Verwendung der Rechtschreibprüfung in der App Pages bereits einen Vorteil mit sich. Dokumente können außerdem noch mit zusätzlichen Grafiken oder Diagrammen versehen werden. Die Schrift kann verändert, eingefärbt und einzelne Textstellen oder Absätze können umgestellt werden.
Auch die Verwendung von Lernapps, wie z.B. Kahoot!, Learningapps oder Anton oder auch die Nutzung einer Lernplattform, wie z.B. Google Classroom oder MS Teams sind in diesem Bereich anzusiedeln. Die Schüler*innen erhalten durch die Nutzung von Lernapps eine direkte Rückmeldung oder eine Dokumentation ihres Lernfortschritts. Die Arbeit mit QR-Codes und die Erstellung von eigenen Präsentationen fällt ebenfalls in diesen Bereich.
Modifikation (Umgestalten):
Auf der dritten Stufe werden die bisherigen Lernprozesse umgestaltet. Auf dieser Stufe geht es nicht mehr nur um eine Verbesserung, sondern bereits um eine Umgestaltung der Lernvorgänge.
So werden z.B. Schüler*innen durch das Spiegeln ihrer iPads über ein Apple-TV intensiver ins Unterrichtsgeschehen integriert. So können sie ihre Ergebnisse präsentieren, was sich positiv auf das Selbstbewusstsein und die Motivation der Kinder und Jugendlichen auswirkt. Der soziale Aspekt wird auf dieser Ebene in den Vordergrund gestellt – das unterscheidet sie bereits stark von den ersten beiden Ebenen. Es wird ein gemeinsames Unterrichtsgeschehen geschaffen. Die Lehrperson verändert ihre Rolle im Unterricht vom reinen Wissensvermittler hin zum Lernbegleiter und Coach.
Das kollaborative Arbeiten, also z.B. das gemeinsame Bearbeiten eines geteilten Dokuments durch mehrere Gruppenmitglieder, auch ortsunabhängig, verändert bereits stark die Art und Weise, wie der Lernprozess erfolgt.
Schüler*innen schauen sich z.B. in Partnerarbeit ein Lernvideo an und fassen die gewonnenen Erkenntnisse nochmal selbst zusammen. Durch den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht ergeben sich ganz neue Möglichkeiten des Unterrichtsgeschehens.
Redefinition (Neugestalten):
Digitale Medien ermöglichen neuartige Aufgabenformate zu gestalten, welche analog, also ohne technische Unterstützung, so nicht möglich sind.
Digitale Medien ermöglichen neuartige Aufgabenformate zu gestalten, welche analog so nicht möglich sind (z.B. Lernende erstellen und veröffentlichen einen eigenen Blog mit WordPress oder erstellen ein eigenes Lernvideo mit iMovie in Partner- oder Gruppenarbeit.
Die Konzepte des Blended Learning oder des Flipped Classrooms kommen hier ebenfalls zum Einsatz. Dabei verlagert sich der eigentliche Lernprozess immer mehr außerhalb des Unterrichts. Die Schüler*innen eignen sich zu Hause mithilfe von Lernvideos das benötigte Grundwissen für den Unterricht an und nutzen die Zeit innerhalb des eigentlichen Unterrichts zum Üben. Die Lehrperson wird hierbei zum Coach, der individuelle Hilfestellung leistet.
Auch die Nutzung von VR- und AR-Anwendungen ermöglichen den eigenständigen Erwerb von Wissen. Auf dieser Ebene finden tiefgreifende Lernerlebnisse statt, die ohne den Einsatz von digitalen Medien gar nicht in diesen Formen möglich gewesen wären.
Fazit
Das “SAMR-Modell” kann als Leitmodell für digitalen Unterricht gesehen werden und ihn auch nachhaltig verändern bzw. verbessern. Jede Stufe hat ihre Berechtigung und bereichert den Unterricht bereits mehr als ein klassischer, analoger Unterricht.
Der Lehrperson wird dabei aber auch viel abverlangt. Besonders die Stufen “Abwandlung” und “Neubelegung” erfordern ein völliges Umdenken des Unterrichts, weg vom reinen Wissensvermittler und hin zum Lernbegleiter. Die Lehrkraft muss dafür eine natürliche Neugier und Motivation mitbringen und es auch in Kauf nehmen, mit der einen oder anderen Methode oder Unterrichtsstunde auch einaml scheitern zu können. All das gehört zum Lernprozess dazu und dauert mitunter einige Jahre.
Ein Unterricht, der sich immer nur auf den Ebenen der Abwandlung und Neubelegung abspielt, ist unmöglich und auch unrealistisch. Eine gute Mischung aller vier Stufen bringt eine gute Abwechslung in den Unterricht und sorgt für eine nachhaltige Bereicherung des Unterrichtens mit digitalen Medien. Die reine Einbindung von Technologien, ohne eine Hinterfragung der eigenen, vielleicht bereits veralteten Unterrichtskonzepte wird sicher nicht zielführend sein.
Hier geht es zu meinem Artikel über die „Digitalen Bildungswochen“, bei denen du jede Menge über den iPad-Unterricht lernen kannst!
Bildquellen:
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