Stell dir vor, es gäbe eine einzige App, die alles kann – von der Verabredung mit Freunden über das Bestellen von Essen bis hin zur Regelung deiner Finanzen. Klingt bequem, oder? Doch was, wenn diese App mehr über dich weiß als deine Familie und besten Freunde? Willkommen bei WeChat, einer Anwendung, die als die gefährlichste App aller Zeiten bezeichnet wird.
Was ist WeChat eigentlich?
WeChat, (chinesisch 微信, Pinyin Wēixìn „winzige Nachricht“), hat in den letzten Jahren eine beispiellose Verbreitung erlebt. Entwickelt von Allen Zhang, hat diese App eine All-in-One-Plattform geschaffen, die von über einer Milliarde Menschen genutzt wird.
WeChat war ursprünglich ein Chat-Dienst für Smartphones, betrieben von Tencent in China, der inzwischen um zahlreiche Funktionen wie z. B. das Mobile-Payment-System WeChat Pay (vergleichbar mit Google Pay oder Apple Pay) erweitert wurde und als Beispiel für eine Super-App gilt.
Die App wurde im Januar 2011 veröffentlicht und unterstützt viele Sprachen, darunter Chinesisch, Deutsch, Türkisch, Polnisch und Italienisch. WeChat gibt nahezu alle Daten an die chinesischen Behörden weiter
WeChat ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern ein Lebensstil. Sie ermöglicht es den Nutzern, Nachrichten auszutauschen, zu shoppen, zu bezahlen, zu spielen und sogar Arzttermine zu vereinbaren – alles in einer Anwendung.
Die Funktionen von WeChat: Ein Rundum-Paket
Messaging und Gruppenchats:
WeChat bietet eine Vielzahl von Messaging-Optionen, darunter individuelle Chats und Gruppenchats. Nutzer können Textnachrichten, Sprachnachrichten, Bilder und Videos senden, was zu einer nahtlosen Kommunikation führt.
Soziale Funktionen:
WeChat ist nicht nur eine Messaging-App, sondern auch ein soziales Netzwerk. Nutzer können ihren Status aktualisieren, Fotos teilen und Inhalte kommentieren, ähnlich wie auf anderen Plattformen wie Facebook.
Mobile Zahlungen:
Eine der herausragenden Funktionen von WeChat ist das mobile Bezahlen. Von der Begleichung von Restaurantrechnungen bis zur Abwicklung von Geschäftstransaktionen bietet die App eine umfassende Plattform für mobile Zahlungen. Die China wird quasi alles nur noch bargeldlos mittels der WeChat-Zahlungsfuntion bezahlt.
Mini-Programme:
WeChat integriert Mini-Programme, die als eigenständige Anwendungen innerhalb der App fungieren. Dies ermöglicht es den Nutzer*innen, Spiele zu spielen, Online-Shopping zu betreiben und viele andere Aktivitäten direkt in der WeChat-Plattform auszuführen. Dazu gleich noch mehr.
Besonderes Feature: Mini-Programme
WeChat-Miniprogramme sind eigenständige Anwendungen, die innerhalb der WeChat-Plattform funktionieren. Sie sind sozusagen Apps innerhalb einer App. Die Miniprogramme können von Unternehmen erstellt werden, die einen Service-Account betreiben.
Die Miniprogramme sind aufgrund der Struktur von WeChat nahtlos in das bestehende Interface integriert und daher äußerst einfach und reibungslos zu bedienen. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Anwendungen auf den Smartphones der Benutzer keinen Speicherplatz benötigen.
Die Benutzer können auf die Miniprogramme zugreifen, indem sie auf WeChat danach suchen, QR-Codes scannen oder Statusupdates von Miniprogrammen in Chats erhalten. Es ist keine Installation oder ein Download erforderlich. Dies optimiert das Benutzererlebnis, indem die Notwendigkeit, auf die Installation einer App zu warten, entfällt.
Nicht vorhandener Datenschutz und Echtzeit-Zensur
Doch hinter der scheinbaren Bequemlichkeit lauern ernsthafte Datenschutzbedenken. WeChat sammelt und kontrolliert eine immense Menge persönlicher Daten. Die App kennt nicht nur die Vorlieben, sondern auch die Bewegungen, Ausgaben und sozialen Interaktionen ihrer Nutzer*innen. In einem Land wie China, in dem Datenschutzvorschriften weniger ausgeprägt sind, wird WeChat zu einer mächtigen Waffe für die Regierung.
WeChat ist nicht nur eine App, sie ist vor allem auch ein Instrument der staatlichen Zensur. In China hat sich WeChat zu einem zentralen Bestandteil des größten Zensurapparats entwickelt, den die Welt je gesehen hat. Nachrichten werden in Echtzeit überwacht und zensiert, was dazu führt, dass Diskussionen über sensible Themen und politische Opposition erstickt werden.
Das bedeutet, dass z. B. regierungskritische Bemerkungen oder Memes, die den chinesischen Präsidenten betreffen, gar nicht erst beim Empfänger ankommen! Die Nutzer*innen erhalten das Bild einfach nicht. Nachrichten und Posts werden stetig überprüft und mit einer Datenbank sensibler Inhalte abgeglichen.
Gibt es ein Match wird die Nachricht zensiert, ist der Inhalt unbekannt, wird er genauer untersucht und vielleicht in die Datenbank mit aufgenommen und dann fortan automatisch zensiert. Die Regierung überwacht jedes Wort, jedes Bild und jedes Video, das auf der Plattform versendet wird. So überwacht und formt die chinesische Regierung das Meinungsbild der Gesellschaft bis in die Chats einzelner Personen.
WeChat gibt in den Nutzungs- und Datenschutzbedingungen an, dass quasi sämtliche hinterlegten Daten an die chinesische Regierung weitergeleitet werden. Datenschutz nach westlichen Standards ist also definitiv nicht vorhanden. WeChat lädt die Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen im jeweiligen Nutzertelefon auf die WeChat-Server hoch. Dabei werden immer auch die Daten von Personen übermittelt, die WeChat nicht nutzen. Der Zugriff der App auf alle Kontakte im Adressbuch stellt eine Datenverarbeitung dar, die als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen einzustufen ist.
Eine Nichtnutzung der App ist für Chinesen ausgeschlossen!
Wer regierungskritische Inhalte teilt, kann auf wechat gesperrt werden! Das Problem: Wenn man als Chinese bzw. Chinesin die App nicht mehr nutzen kann, bedeutet das, dass man digital einfach nicht mehr existiert. Betroffenen können effektiv nicht mehr wie gewohnt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Man kann nicht mehr wie gewohnt mit seinen Freunden, Bekannten und Verwandten kommunizieren, man kann nicht mehr in Geschäften bezahlen und vieles mehr.
Die App bietet der Regierung also die Möglichkeit, den Informationsfluss zu kontrollieren und jeden Bürger und jede Bürgerin zu einem gläsernen Individuum zu machen. Eine Alternative zu WeChat gibt es in China nicht. Einige Chines*innen legen sich deshalb sicherheitshalber auch gleich ein Zweit- oder Drittkonto an, damit sich notfalls die App weiterhin verwenden können. Die Wiederherstellung eines Kontos kann Wochen oder sogar Monate dauern, vorausgesetzt die chinesische Regierung erlaubt es.
Fazit: Die Balance zwischen Bequemlichkeit und Datenschutz
WeChat mag ein extrem erfolgreicher Dienst sein, der das tägliche Leben in China revolutioniert hat, aber es wirft auch wichtige Fragen auf. Wie viel sind wir bereit, für Bequemlichkeit zu opfern? Und welche Opfer bringen wir in Bezug auf Datenschutz? In einer Welt, in der persönliche Daten zu einer wertvollen Währung geworden sind, müssen wir sorgfältig abwägen, wie viel Macht wir einer einzelnen App überlassen.
Die App WeChat zeigt uns, dass Technologie nicht nur Fortschritt, sondern auch Risiken mit sich bringt. Es liegt an uns, die richtige Balance zu finden und sicherzustellen, dass wir die Kontrolle über unsere persönlichen Informationen behalten. Denn in einer Welt, in der Apps zu Alleskönnern werden, ist Datenschutz nicht nur wichtig – er ist unerlässlich.
Video-Tipp
Quellen:
Risiken bei der Nutzung von WeChat im Unternehmen (dr-datenschutz.de)
Was ist WeChat? | heise online
WeChat Miniprogramme: Die Neuerfindung des Internets für China (marketingblatt.com)
Youtube-Video von simplicissimus “Die gefährlichste App aller Zeiten”
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